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Ausstellung Kloster Benediktbeuern – Eröffnungsrede

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Freunde,

ich freue mich, daß Sie so zahlreich erschienen sind und darf Sie als Freunde des Klosters Benediktbeuern und der Familie Kissel, sowie als Kunstliebhaber anläßlich dieser Vernissage herzlich willkommen heißen.

Zugleich möchte ich an dieser Stelle meinen Dank für die freundliche Begrüßung bei Pater Direktor Heiner Heim aussprechen. Ferner bedanke ich mich bei Pater Leo Weber für das Zustandekommen der Ausstellung in diesen Räumen und für seine tatkräftige Unterstützung.

Meine Damen und Herren,

als Freund der Familie Kissel konnte ich die Entstehung der zahlreichen Bilder aus dem Genesis-Zyklus, die hier zum größten Teil ausgestellt sind, immer wieder und in verschiedenen Zeitabständen verfolgen. So bot sich mir die Gelegenheit, mich während der Schaffensperiode mit dem Künstler über die einzelnen Bilder, deren Gestaltung und Motivik, auszutauschen.

Lassen Sie mich kurz auf die Biographie von Helmut Kissel eingehen. 1929 in Mannheim geboren, beschäftigt er sich – angeregt durch einen Onkel – seit seiner Kindheit mit der Malerei. Eine Glaubenserfahrung während des Krieges beeinflusst seinen Weg, der ursprünglich den Beruf des freischaffenden Künstlers zum Ziel hat. Aufgrunddessen wählt er nach dem Abitur das Studium der Theologie und geht nach Berlin. Parallel zum Theologiestudium entstehen zahlreiche künstlerische Arbeiten, was ihn dazu bewegt, 1957 das Kunststudium an der Akademie der Bildenden Künste in München bei Prof. Hermann Kaspar aufzunehmen. Mit dem erfolgreichen Abschluss 1963 beginnt Helmut Kissel seine berufliche Laufbahn als Pastor in verschiedenen evangelisch-freikirchlichen Gemeinden Deutschlands. Seit 1984 lebt und arbeitet Helmut Kissel in Bad Tölz.

Meine Damen und Herren,

die ersten Gemälde, die unter dem Thema Genesis eingeordnet werden können, sind bereits 1996 entstanden. Seit dieser Zeit beschäftigt sich Helmut Kissel immer wieder mit dem vielfältigen Topos. Grund dafür mag die befruchtende Komponente des Pastors im Künstler oder des Künstlers im Pastor sein, die sich ja schon während des Studiums abzeichnet. Parallel zu den Genesisbildern entstehen etliche Werke, die Motive, wie z. B. Stadtansichten oder Stilleben, zum Gegenstand haben.

Obwohl Theologe, stieß Kissel erst spät auf das Thema Genesis in der Malerei und war fasziniert, damit ein neues künstlerisches Betätigungsfeld vorzufinden: (ich zitiere) „Vor einigen Jahren bekam ich von meinem Sohn den Anstoß, einen Totenkopf zu zeichnen. Es reizte mich, dieses eher negative Thema positiv zu vermitteln und den Stoff in einen Schöpfungszyklus einzubetten. Ausgehend von dem in der Genesis-Geschichte beschriebenen Chaos – der Vers „und die Erde ward dunkel und leer…“[1] ist bekannt – entstand schließlich eine ganze Reihe abstrakter, aber auch gegenständlicher Werke zum Schöpfungsthema.“

Meine Damen und Herren,

der Begriff Genesis ist die Bezeichnung für das erste Buch Mose aus dem Pentateuch und der Bibel überhaupt. Das Buch Mose ist in zwei Hauptteile gegliedert: Der erste – die Urge-schichte – beschäftigt sich mit der Schöpfung, Paradies und Sündenfall, sowie Noah und die Sintflut. Der zweite Teil behandelt die Geschichte der Erzväter Abraham, Isaak und Jakob, Josephs und seiner Brüder. Die von Helmut Kissel gemalten Bilder beschäftigen sich ausschließlich mit der Darstellung der Schöpfung aus dem 1. Buch Mose Kapitel 1-2. Diese beschreiben die sieben Tage der Schöpfungsgeschichte.

An dieser Stelle möchte ich gerne einen für mich persönlich verblüffenden Aspekt hinzufügen, nämlich, daß die Entwicklungsprozesse von Evolutions­theorie und Schöpfungs­geschichte sich in ihrem Verlauf nahezu überschneiden.

Betrachten wir uns nun die Bilder etwas genauer. Auffallend an den Werken Helmut Kissels ist unweigerlich die kräftige Farbgebung sowie deren Anordnung, mit der er wesentlich seine Bilder aufbaut. Die zur Ausdruckskraft erhöhte Farbe und ihre bewußt flächenhaft, beinahe pastos aufgetragene Anordnung gibt zugleich den strukturellen Plan der Bilder an. Bei manchen Werken gleicht die farbliche Anordnung dem eines Mosaiks. Diese expressive Gestaltung hat stets Priorität.

Das tragende Gerüst dieser Kompositionen sind die Konturen, mit denen der Entstehungsmoment der Motive fein heraus modelliert wird. Teilweise treten die unterschiedlichsten Formen und gegenständliche Darstellungen aus den Farbfeldern hervor. Hierbei sind einfache Gebilde wie Wellen und kugelförmige Kreise zu erkennen, oder aber Totenköpfe, Vegetation und Tiere. Je nach fortschreitendem Schöpfungshergang taucht der Mensch an der Bildoberfläche auf.

Die Bilder sind so inszeniert, daß sich durch eine Aufteilung mittels Trennelementen, zum Teil diagonal oder bogenförmig, Dimensionalität ergibt. Diese Trennungslinien evozieren verschiedene Ebenen, die zudem durch eine farbliche Differenzierung betont werden. Helle Farbtöne werden bewußt dunklen entgegengesetzt. Dies führt in manchen Werken zu einer Art Sprengung des Farbauftrags, wenn z. B. wie im Bild „Trennung von Licht und Finsternis“ Gelb und Schwarz im Zickzack-Verlauf aufeinandertreffen. Dagegen schmiegen sich im Bild „Licht in den Spalt“ die Farben Orange und Grün, trotz strikter Farbtrennung, zart aneinander.

Aber nicht nur zur Vermittlung von Dimensionalität dienen die Trennungslinien, sondern werden weiterhin auch als Element eingesetzt, um den Bildern Bewegung zuzufügen. Ruhigen Flächen wird durch sich biegenden Farbverlauf ein fließender Rhythmus einverleibt. Schön zu sehen ist dies in dem großem Bild „Das Werden des Menschen I“ wo blaue und rote Farbflächen von links oben kommend nach rechts unten abwechselnd aufgetragen wurden. Mit Hilfe von großzügigen Farbflächen, werden manchen Werken Ruhepole zugewiesen.

Diesem Wechselspiel von Bewegung und Ruhe, dem Ein- und Auftauchen von Objekten werden Sie häufig bei der Betrachtung der einzelnen Genesisbilder Helmut Kissels begegnen.

Meine Worte sollen Ihnen lediglich als Anregung zum eigenen Sehen, Erfassen und Erleben der kraftvollen Werke Helmut Kissels dienen. Dazu möchte ich Ihnen noch eine kleine Anekdote erzählen, nachdem ich Sie dann zu einem Glas Sekt einladen darf.

Kurz vor dieser Ausstellung überreichte ich einem Bekannten zum Geburtstag den Holzschnitt, „Morgendämmerung“, der auch hier ausgestellt ist. Es ist ein grüner Druck in einem Format von ca. 15 x 15 cm. Abgebildet sind dort verschiedene Konturlinien, die sich teils wellenartig und kreisförmig sowie im Halbkreis über das Blatt verteilen. Nachdem mein Bekannter sich bei mir freudig für den Druck bedankte, fragte ich ihn, ob ihm der Druck denn überhaupt gefiele. Ihm gefalle der Druck sehr gut, antwortete er und erzählte mir spontan, was er darin alles sähe: „Außen herum ist Chaos, innerhalb der Sichel, dem ruhenden Pol, leben zwei Delphine und zwei Menschen in Harmonie und Eintracht.“ So habe ich den Holzschnitt noch nie gesehen. Aber es ist immer wieder ein Erlebnis – was mir auch im Studium häufig widerfährt – zu erfahren, welch zahlreiche Möglichkeiten es gibt, ein Bild zu beschreiben.

Meine Damen und Herren,

Ich bedanke mich recht herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und darf sie nun gerne einladen, sich die Bilder über die Entstehung von Licht, dem Auftreten der Gestirne, die Fruchtbarkeit der Pflanzen und die Vollendung von Leben in aller Ruhe anzusehen.


[1]Aus: 1. Mose 1, 2